27
Jul

27.7.2002

In einem anderen Sommer gegen das Ende der achtziger Jahre hin verließ ich am Samstag um 14.20 Uhr mein Einzimmerapartment im Wohnblock am Klauflügelweg, nicht ohne noch Panama, den Kater, gekrault und mit guten Worten versehen zu haben, holte mit einem Knopfdruck den Aufzug herauf, oder herunter, fuhr in ihm zum Erdgeschoß, ging aus dem Hochhaus und schlug meinen seit ein paar Jahren von dieser Stelle der Stadt aus zu ihrem Inneren entlanglaufenden Weg ein, vorbei an Mehr- und Einfamilienhäusern mit größeren und schmaleren Vorgärten, in denen Blumen und Hecken, sie abgrenzend von der Straße, blühten; eine Zickzackkurve, die ich entlang dieser nicht sehr breiten Wohngebietsstraßen auf ihren Gehwegen vollzog, über den nördlichen Galgen- und Mittelberg (so der Name dieses Wohngebiets) und von ihm auf den vielen Stufen der Treppe des „Kanonenberges“, wie die Stelle oberhalb dieser steilen Treppe seit alters her ihre Bezeichnung hat, hinunter ins Tal, einbiegend in die Straße, an der, in ihrer Mitte links von ihr, die Dollingerschule erreicht wird. Zwischen Gebäude und Mäuerchen, das den Schulhof um eine Hecke, die zur Raustraße gehört, abteilt, kann man über drei flache Stufen in den Schulhof gelangen; über ihn, dessen Gittertor an der anderen Seite immer offen stand, zu gehen bedeutete, eine Abkürzung quer hinüber zu nehmen, und wenn sie auch nur Sekunden in meinem Gang zur Kinoarbeit, der exakt fünfundzwanzig Minuten dauerte, einbrachte, so ging ich doch fast immer über den Schulhof, in dem ich, viele Jahre früher, in den großen Pausen meiner Wirtschaftsgymnasiumsjahre meine kleinen Kreise mit den mir Vertrauten zirkelte. Während ich, in den Sommern, Ende Juli, Anfang August, auf dem Weg zur Arbeit über diesen gar nicht großen, doch leer und verlassen liegenden Hof schritt, empfand ich die Stimmung der Stille, in die etwas Träges hinein spielte, in die die oberschwäbische Stadt in den ersten Tagen der Schulferien, die in Baden-Württemberg stets erst Ende Juli begannen, wie in ein luftiges Ruhekissen einsank, besonders intensiv, und das war der imaginäre Abschnitt, in der die scharfe Zickzacklinie meines forschen Gehens in meiner Vorstellung, in der sich allerdings wichtigere Bilder und Gedankengebäude ein- und aufgestellt hatten, eine zarte Ausfransung, einem un-scharfen Tuschestrich nicht unähnlich, erhielt. In diesen Sekunden, die ich nur zur Durchquerung dieser mir aus Schulzeiten bekannten Fläche innerhalb des Stadtgebildes benötigte, hatte ich auch ein deutliches Gefühl für die Lage dieser Stadt; in ihrer topographischen Situation innerhalb eines Landstrichs, der Region, ihrer sehr südwestdeutschen – Randlage, war ich manchmal in Versuchung zu denken; wie aus der Vogelperspektive betrachtete ich dann in Sekunden, die eher geahnt als streng beobachtet waren, dieses Städtchen in seiner mir angenehm erscheinenden Einbettung in das große Land, in den Staat, und meine winzige hauchdünne Linie, die ich in ihm zum Kino an der Saudengasse nähte.
- Sonniger, warmer Spätjulitag.
27.7.2002
Klaus-Dieter Diedrich (1951-2006): "Die Biberacher Zeit"

Suche

 

Kürzlich kommentiert

Ein wichtiges Projekt!
Als Biberacher, der K.D. kannte und als bekennender...
Tadellöser - 20. Dez, 13:02

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Statistisches & Linksphäre

Linksphäre:
Wer linkt hierher?

Besucherzahl:

Besucher-Statistik

Credits

Status

Online seit 6358 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 20. Dez, 13:02

biographie
galerie
impressum und (c)
projekt-info
widmung
KD
prolog
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren