11
Dez

Prolog: Texte aus dem Jahr 2000 (13)

Eine dieser Erinnerungen halte ich für die bedeutsamste; bedeutsam deswegen, weil sie mir heute sagt, daß schon in jenem zarten Alter eine zwar noch unklare, aber doch deutlich empfundene Gefühlsregung sich bemerkbar machte: die Zuneigung zu Jungs und nicht die zu Mädchen, ist die, daß ich an einem jener Abende, in denen das "Wölflingsleben", wie es unter Jungen nun einmal vorkommt, in eine spielerische Rauferei überging, von einem um ein Jahr Jüngeren zu Boden gerungen wurde, unsportlich, wie ich war, wobei R. M auf mich in zwei oder drei Sekunden den Eindruck machte, als meine er diese scherzhafte Jungenrauferei plötzlich ernst, denn sein Gesichtsausdruck war der eines zufriedenen Siegers geworden, was freilich auch bei „Unernst“ vorkommt, aber das störte mich mit einem Mal unangenehm, denn ich mochte ihn ziemlich (was er nie erfuhr) und ich wollte, wie ich mir eingestand, während ich mich aufrappelte, von jemandem, für den ich solche Empfindungen hatte, nicht auf diese Weise übertrumpft werden. R besuchte, nachdem er in der gleichen Grundschulklasse wie ich gewesen war, das Wieland-Gymnasium, ich inzwischen die Mittelschule, und wegen der verschiedenen Schulen, aber auch, weil uns das Pfadfindertum allmählich langweilig und nicht mehr altersgerecht erschien, verlor man sich in den folgenden Jahren aus den Augen. R. aber war mit T.F., der am Wolfgangsberg neben dem Kindergarten, in dem wir alle – und von daher kannten wir uns schon – gehockt und uns mit Spielen die früheste Zeit vertrieben hatten, wohnte, befreundet, der auch zu meinen bevorzugten Altersgenossen zählte; die beiden waren enger befreundet als ich mit ihnen, und in dieser Konstellation der Freundschaftsverhältnisse war ich mit T. besser befreundet als mit R., was ich, als wir noch Umgang miteinander hatten, stets ein wenig bedauerte, denn ich fand ihn richtig nett; ich glaube, ich war ein bißchen verliebt in ihn, was ich allerdings empört von mir gewiesen hätte, wäre jemand – aber wer auch hätte das sein sollen? – mir damit gekommen. Aus oben erwähntem Grund. R. hatte die Angewohnheit, mich ein bißchen von oben herab zu behandeln, er nahm mich, wir waren zwölf und dreizehn Jahre alt, nicht ganz ernst, auch das gefiel mir nicht und trug dann bestimmt dazu bei, daß die Wege sich trennten. Mit T. war der Umgang unkomplizierter. Oft mimten wir bei ihm im Garten, bewaffnet mit Bambusstöcken, die er eines Tages irgendwo im elterlichen Haus gefunden hatte, degenfechtende Musketiere oder Ritter; manchmal saßen wir auch in einem Raum, den ich nun als zum Souterrain gehörig (befand sich daneben nicht die Garage?) einordne und spielten das japanische Go-Spiel. Ich verlor fast immer; wie auch in den Unterhaltungsbrettspielen. Vor allem bei "Monopoly", das Helmut K. und ich einige Jahre danach häufig spielten. Zur Kohle, zum Zaster, zur Penunze, zu „Stutz“, zu Geld fand ich nie eine einträgliche Einstellung... Aber die Freundschaft mit Tilmann versandete auch. Gut ein Dutzend Jahre danach, als ich im „Strauß“ saß, hörte ich von jemandem, R. sei in Köln ansässig und dort Buchhändler geworden.

6.12.2000
Klaus-Dieter Diedrich (1951-2006): "Die Biberacher Zeit"

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