14.6.2002
1973 wurde es eine meiner Vergnügungen, in der Spielhalle am Marktplatz die Flipperautomaten zu bedienen. In einem der alten Bürgerhäuser, die um das lang gestreckte und ein wenig verbogene Oval des Platzes stehen und ihn dadurch bilden, ziemlich genau in der Mitte der nördlichen Seite, lag sie an der Frontseite des Hauses in einem Raum, zu dem einige Stufen hinter der dicken Glastür, die nach links aufschwang, hinab führten und an dessen linker Seite fünf oder sechs Flipper auf ihren dünnen Metallbeinen standen, und auf der rechten Seite zwei Tischfußballkästen auf ihren Holzstelzen, hinter ihnen hing der Kippenautomat an der Wand, und verqualmt war das Kabuff! In der rechten hinteren Ecke der Spielbude, die nur um ein geringes Etwas länger als breit war, hockte Jupp, der Rentner und die Aufsichtsperson, auf seinem Schemel und wechselte Scheine in Kleingeld, das in die Automaten gesteckt wurde und dem auch ich, 1973, 1974, 1975, Zehn- und Zwanzig-Mark-Scheine auf das Tischchen, das vor ihm stand, legte, oder ich ließ ein Fünfmarkstück „kleinmachen“. „Hallo Jupp, wie geht’s, mach mir mal klein.“ Die Flipper und Tischkicker schluckten so manche meiner Märker. Sind die Flipperautomaten noch im Gedächtnis der Heutigen oder ist es angezeigt, ihr Design und ihre Funktionsweise zu erläutern? Wer in meinen Jahren ist, wird sich, sofern er früher solchen Zeitverschwendungen nicht völlig abhold war, an sie erinnern; Jüngere sehen sie vielleicht in „Autorenfilmen“ jener Zeit, die sie aber, nehme ich an, wohl kaum jemals noch sehen. Flipperautomaten waren rechteckige Kästen, in denen, auf einer etwas nach vorn abgeschrägten Spielfläche, aus Metall wie diese Kästen und die hohen Aufbauten an ihren Rückseiten, die mit bunten Comic-Motiven verziert waren und auf denen die Punktzahl, die sich im Vorgang des Flipperns erhöhte, angezeigt wurde, eine silberne Metallkugel von den auf der Spielfläche an den unterschiedlichsten Stellen (jeder Flipper hatte seinen eigenen Parcours) angebrachten “Fingern“ hin- und hergestoßen, abgestossen, aufgehalten und von einem geschickten Spieler dann so fortgeschleudert wurde, daß sie einen bestimmten Zählpunkt in Form von pilzartigen kleinen Erhebungen und Buchten und Kanten an den variationsreich geschwungenen Seiten der Spielfläche traf und somit die Punktezahl nach oben trieb; bei einem schnellen Spiel zuckte und ruckte der Pinball – „The Who“ sangen in ihrer Rockoper „Tommy“ vom „Pinball Wizard“ – unaufhörlich auf der Spielfläche von einer Stelle zur anderen, der Flipper klingelt und bimmelte, wenn die Punkte gemacht wurden, und das Spiel erforderte Konzentration und Reaktionsschnelligkeit, und ein guter Spieler konnte unentwegt Freispiele – „Bonus!“ – „rausholen“, und das und den vorzeitigen Abgang der Silberkugel durch Unachtsamkeit oder übermäßiges Rütteln des Apparats zu vermeiden, war der Sinn des Flipperns. „Same player shoots again“ oder „Tilt“ schrieb der Flipper unter oder neben die Scores, je nachdem. „Tilt“, „gekippt“, wies er seinen Spieler zurecht, wenn der zu sehr auf unerlaubte Weise an ihm gefummelt hatte, um den Lauf der Kugel zu manipulieren, und legte den Spielvorgang lahm; rien ne va plus, die Kugel rollte unaufhaltsam nach unten, entschwand in die elektrischen Eingeweide des Automaten. Dann ein neues Spiel, die Kugel legte sich vor den Federbolzen, er wurde von außen, von vorne am Gehäuse, an den Körper gezogen und lässig ließ man ihn zurückschnellen, die Kugel flippte in die Spielbahn hinein und wurde auf’s neue herumgestoßen. „Ring-pling“, „Ding-ding“, „Dong-bing“ tönten die Kästen durch die Spielhalle. Breitbeinig standen die Jungs, vornehmlich keine Gymnasiasten, an den Flippern und tätschelten mal deren linke Ecken, mal schüttelten sie zärtlich die rechten, und die Bälle wichen um eine Kleinigkeit von ihren bedrohlich gewordenen Wegen ab und wurden in andere gezwungen, aber: zu viel Rütteln und Schütteln hieß: „Tilt“. Den Kasten zu tillen war verpönt. Gute Spieler tillten fast nie, ihr Ehrgeiz war nicht nur, ein Freispiel nach dem anderen zu ergattern, sondern mehr noch, das Risiko des Tillens zwar herauszufordernd, aber es zum Tillen nie kommen zu lassen. Aus angespannt offenen oder etwas verzerrten Mündern drangen dumpfe Laute des verhaltenen Entzückens oder der Mißbilligung, leises Stöhnen und Grunzen begleitete das Spiel am Lieblingsflipper. Auch ich hatte einen, und war der besetzt, nahm ich den anderen, den mir zweitliebsten. Ich flipperte meisterlich. Ich flipperte auch aus erotischen Gründen.
- Unbeständig ist das Wetter wie seit Tagen. Wolkenverhangen, Tendenz regnerisch, spätnachmittags Sonnenglut hinter glasigen Wolken, die nach Osten wanderten, dann blieb der Äther frei und die Lichtpartikel prasselten ungehindert in den Abend: er wurde „schön“.
14.6.2002
- Unbeständig ist das Wetter wie seit Tagen. Wolkenverhangen, Tendenz regnerisch, spätnachmittags Sonnenglut hinter glasigen Wolken, die nach Osten wanderten, dann blieb der Äther frei und die Lichtpartikel prasselten ungehindert in den Abend: er wurde „schön“.
14.6.2002
14.06.