13.5.2002
Morgen gehe ich für drei Tage in die Charité, um eine Biopsie an den wieder vergrößerten Lymphknoten, paraaortal, vornehmen zu lassen, die nicht ohne Risiko ist. Sticht der Radiologe, der diesen computertomographisch unterstützten Eingriff vornimmt, meine Hauptschlagader am Mittwoch nach acht Uhr an, dann sind das hier die letzten Zeilen, die ich geschrieben habe, und dann nicht einmal zur Biberacher Zeit. Auch würde die Biberacher Zeit, die ja doch nur eine von mir konstruierte ist, oder, um ihre eher ätherische Konsistenz richtiger zu würdigen (es gibt das Richtigere, so wie es das Gleichere im Sinn von „alle sind gleich, nur manche sind gleicher“, was man immer aufs neue eine konkrete Erfahrung nennen kann, gibt), eine von mir nur und sehr wahrscheinlich nur von mir erahnte, verschwunden sein, wenn ich, das, was man „Ich“ oder seinen „Geist“ heißt, verschwunden wäre. Dann reihte ich mich womöglich in den Sphärentanz jener nebulöser Wesen ein, die in ihm nicht nur meine Erinnerungen, sondern auch die anderer noch Lebender begaukeln? Man gebraucht ja, dann, wenn Erinnerungen – aber nicht nur sie, sondern ganz reale vor- und herankommende Personen sind auch damit gemeint – sich aus Gründen, die ebenso lästig sind wie die Erinnerungen, die sie aus den verschlossenen Sektionen des Lebensbaus plötzlich entweichen lassen, unwillkommen aufdrängen, die Redensart von den Gespenstern der Vergangenheit, und zu solch einem unschönen Gespenst würde ich anderen eben nicht werden wollen; und die Zeitgenossen, die mir in der Biberacher Zeit unangenehm begegneten, und die ich würde erschrecken wollen, waren gar nicht sehr viele, wofür ich in erster Linie mir selber dankbar bin. Ich glaube, auch dieses Eigenlob bedarf keiner ausführlichen Erläuterung, denn „wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen“, und mit diesem Satz 7 – der Ziffer meines Geburtstages – in „loony Ludwigs“ Tractatus, wobei ich in ihm, dem Satz, bei dieser Gelegenheit das Wort „kann“ durch das Wort „soll“ ersetze, verabschiede ich mich – für heute; vielleicht notiere ich mir morgen in der Klinik noch etwas in ein kleineres, handlicheres Notizheft.
- Etwas bedeckt mit Wolken der Tag vormittags, danach wurde er sehr warm, weil die Sonne kräftig schien.
13.5.2002
- Etwas bedeckt mit Wolken der Tag vormittags, danach wurde er sehr warm, weil die Sonne kräftig schien.
13.5.2002
13.05.