26
Apr

26.4.2002

Der 18. November 1972 war ein kalter Herbstsamstag in Biberach. Vor der „Schranne“, jenem Fachwerkgebäude, das sich bis über die Hälfte der Länge der schmalen Schrannenstraße, die die Verbindung zwischen Marktplatz und Karpfengasse herstellt, entlang zieht, eines der größten und ältesten Häuser der Innenstadt, mit dicken Wänden und zwei Stockwerken unter dem steilen Dach, unter dem sich zwei weitere Stockwerke befinden, hatte die SDAJ-Gruppe ihren Infostand, einen Tapeziertisch, vermute ich aus der Distanz der zeitlichen Entfernung, aufgestellt, auf dem die verschiedenen Argumentations- und Propagandamaterialien über die DKP, die SDAJ, über die Sicht auf die gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse, fast alles in Broschüren-, Zeitschriften-, Zeitungsform, lagen und darauf warteten, an die im einsetzenden leichten Schneefall vom Markt, der jeden Samstag, auch in diesem Jahr 2002, auf der von Süden betrachtet rechten Hälfte des langen, bauchig-ellipsenförmigen Marktplatzes mit seinen Buden und Ständen vor allem die Stadtbevölkerung anlockte und -lockt, vorbei hastenden Passanten und Einkaufswütigen verteilt zu werden, sofern es mir, denn zu dieser Mittagsstunde stand ich für einige Zeit allein dort, wohin die anderen Genossen sich verkrümelt hatten, und ob überhaupt andere Genossen auch dort mit mir gestanden hatten, ist mir nicht mehr bekannt, gelang, eine dieser Mitbürgerinnen oder einen Mitbürger dazu zu veranlassen, den Schritt zu bremsen, innezuhalten und – und sei es nur aus Neugierde, warum der Spinner, also ich, da steht – in ein Dreisätzegespräch zu verwickeln, in dessen Verlauf ich diesem oberschwäbischen Menschen, der sich schon abfällig abwendete, eine UZ beispielsweise in die Hand drücken konnte, als ich, nach einer dieser erfolglosen Bemühungen – einige Exemplare des Flugblatts zur Wahl am nächsten Tag lagen schon um den Stand herum – einen großen Typ mit schulterlangen Haaren, eingehüllt in einen Parka, wohingegen ich einen halblangen ockerfarbenen Cordmantel um den Leib und eine russisch anmutende Ledermütze mit Kunstpelzrand, eines dieser kahnähnlichen Modelle, auf dem Kopf trug, in unbeirrt gerader Linie auf meinen politischen Stand zugehen sah und instinktiv wußte, daß dieser Typ dem Aufbau einer DKP-Ortsgruppe Biberach dienlich sein würde, was sich sogleich bestätigte, als er vor mir stehen blieb und brummte: „Hallo, ich war in Kassel in der DKP.“ So lernte ich Manfred Schmidt kennen.
- Mittags hellte sich’s ein bißchen auf, vor 18 Uhr ein dünnes Weißgrau über Berlin-Mitte, hinter dem da und dort die Bläue der Atmosphäre zu erahnen war. Abends Regen, ausgiebig.
26.4.2002
Klaus-Dieter Diedrich (1951-2006): "Die Biberacher Zeit"

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Als Biberacher, der K.D. kannte und als bekennender...
Tadellöser - 20. Dez, 13:02

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