26
Mrz

26.3.2002

Einmal, ein einziges Mal, jedoch öffnete sich diese verschlossene Tür zwischen Schlaf- und (späterem) Wohnzimmer für mich. Mir wurde gesagt, daß ich am folgenden Tag, es war ein Sonntag, zu meinem „Papa“ gehen dürfe. Die Stimmung, die im zugänglichen Teil der Wohnung herrschte, oft genug, wie ich nicht ganz bewußt – aber was weiß ich schon davon, wie klar ich als Kind gewesen sein konnte? – erkannte, doch empathisch aufnahm, gedrückt, wandelte sich zu einer nervös-geheimnisvollen Atmosphäre. (Ich weiß auch nicht, bekam es nie erzählt, denn diese halbe Stunde wurde von mir in aufgewachseneren Jahren nie angesprochen, wer von den beiden, die sich bei mir Eltern nannten, die Initiative dazu ergriffen hatte. Dieser Besuch bei meinem Vater geschah bestimmt nach dem Vorfall mit der Garderobenablage; vielleicht hatte mein Erzeuger ja ein etwas – etwas – schlechtes Gewissen bekommen; wollte er etwas, das, gutmachen?) Am Sonntag Vormittag betrat ich also sein Zimmer, das mir, bis auf das alte Bett, leer erschien, aber ein Stuhl wenigstens und ein Schrank und irgendeine Lampe auf irgendeinem Kasten werden wohl auch darin gestanden haben. Die Besonderheit der Situation war mir sehr klar (weshalb ich diese Minuten auch deutlich vor Augen, aber nicht im Ohr ... habe), etwas schüchtern, kann ich annehmen, womöglich etwas ängstlich sogar, auch neugierig, trat ich an das Bett heran, im Schlafanzug; mein Erzeuger lud mich ein, mich neben ihn zu legen. Ich tat es. Wir plauderten, wahrscheinlich wurde ich unbefangener. Ich sah kleine, rätselhafte Metallgegenstände, die im Sonnenlicht, das durch die Fenster Streifen in das Zimmer warf, matt glänzend in ihrer Messingfarbe auf dem staubigen Fußboden lagen. Ich kann mich an das, was wir redeten, gar nicht entsinnen. Nur ahnend kann ich, am Ende dieser merkwürdigen Begegnung von Vater und Sohn, von der ich jedoch ein freundliches Grundgefühl behielt, die Stimme meines Vaters, berlinernd, aber nicht zu sehr, hören, die zu mir sagt, nun solle ich gehen, meine Mutter würde bestimmt schon auf mich warten. Ich ging, die Tür wurde hinter mir abgeschlossen.
- Graulicher Spätwintertag. Am Vormittag weißes Schneegegriesel im Hinterhof und auf den Dächern. Drückend, versmogt.
26.3.2002
Klaus-Dieter Diedrich (1951-2006): "Die Biberacher Zeit"

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