18.3.2002
Am Abend des Tages, an dem das „Sternchen“ zum ersten Mal einen Film zeigte, saß ich, für die am Vormittag ersparten fünf Mark, auf einer der hinteren Bänke hinter einem der länglichen schmalen und niedrigen Tische – in ihnen waren mit rotem Stoff bespannte Lämpchen mit Kippschalter befestigt – in diesem neuen Kino, das bis auf den letzten Platz ausverkauft war, und sah mir „Der amerikanische Freund“ nach dem gleichnamigen Roman von Patricia Highsmith, deren Tom Ripley-Romane ich sehr schätzte, und „Der amerikanische Freund“ ist ja einer davon, an, den Wenders mitgebracht hatte; diese Kopie war frisch aus dem Kopierwerk und den drei Sprachen der Akteure – Bruno Ganz und Dennis Hopper in den Hauptrollen – konnte mit einem Plastikkopfhörer, den man auf Wunsch ausgeliehen bekam, im Original gelauscht werden, während man ohne diese Kopfhörer, ein besonderer Service des Hauses, die auf eine Infrarotabstrahlvorrichtung links und rechts der Magenta-Bildwand reagierten, die deutsch synchronisierte Fassung in den Ohren hatte. Wenders übrigens war aus Termingründen am Abend nicht mehr dabei. Während ich den Film guckte, trank ich zwei große Altbier. (Kannte ich von meinen Besuchen bei P.s in Düsseldorf.) Nach dem Film, wie man sich umgangssprachlich ausdrückt, blieb ich an der Theke hängen, vor der fünf Sessel mit kleinen Lehnen in den Boden eingelassen waren. In den folgenden Tagen sah ich mir die ganze Retrospektive der bis 1978 produzierten Wim Wenders-Filme an, die A.K. zur Einweihung des ungewöhnlichen Kinos „Sternchen“ zeigte.
Bei einigen meiner Freunde und mir bürgerte es sich rasch ein, daß die späten Abende, wenn die Filmvorstellungen, die man besucht hatte oder auch nicht, beendet waren, in diesem Kino zugebracht wurden, bei Altbier, Wein, Bommerlunder. Die Bänke und die Tische, die – erst in der Mitte der neunziger Jahre, als das „Sternchen“ umgebaut und mit einer Schräge, auf der seitdem bequeme Kinosessel montiert sind, versehen wurde, änderte sich das – auf einer kreisförmigen „Palette“, die sich drehen ließ, aufgeschraubt waren, waren dann so gedreht worden, daß die dort Sitzenden sich gegenüber saßen; häufiger hockten die, die es sich erlauben konnten, zu nächtlicher Stunde noch auszugehen, aber an der Theke, andere standen dabei, mit den Gläsern in den Händen. Hinter der Theke agierte dann oft, gemeinsam mit der Bedienung, die für den Thekendienst zuständig war, gutgelaunt der Kinobesitzer, plauderte mit den – fast durchweg jungen – Gästen und legte seine Lieblingskassette mit den Buddy Holly-Songs in die Stereoanlage auf einem Bord an der Wand ein. „It’s so easy to fall in love, yes it’s so easy ...“ Oft wurde es so weit nach Mitternacht. War der Augenblick gekommen, in dem man sich der Einsicht, irgendwann eben doch gehen zu müssen, auch nicht stur widersetzen wollte, wurde nach uns das Foyer unten abgeschlossen. Im Lauf der Zeit, um den Titel eines Films jenes Freundes des Hauses zu zitieren, hatte sich das „Sternchen“ auf diese Weise und mit dieser filminteressierten Klientel zu einer Art Nachtlokal entwickelt; denn ab und zu, wenn der Kinobetreiber in Laune war, ließ er für die späten Zecher noch einen Film laufen; sperrte allerdings vorher die Türen unten zu. Mir konnte es nur gefallen, für mich begann am nächsten Morgen kein Arbeitstag, jedenfalls keiner der üblichen der Arbeiter- und Angestelltenwelt. Und zu gehen hatte ich (in der ersten Jahreshälfte 1978) tief in der Nacht dann auch nicht weit, zur Karpfengasse waren es nur ein paar Schritte. Wieder hatte ein neues Kapitel in meinem Leben begonnen, wieder hatte ich es nicht geahnt.
- Ein Sonnentag, blau behimmelt, mild, aber, jedenfalls abends, ein heftiger kühler Wind in den breiten Straßen.
18.3.2002
Bei einigen meiner Freunde und mir bürgerte es sich rasch ein, daß die späten Abende, wenn die Filmvorstellungen, die man besucht hatte oder auch nicht, beendet waren, in diesem Kino zugebracht wurden, bei Altbier, Wein, Bommerlunder. Die Bänke und die Tische, die – erst in der Mitte der neunziger Jahre, als das „Sternchen“ umgebaut und mit einer Schräge, auf der seitdem bequeme Kinosessel montiert sind, versehen wurde, änderte sich das – auf einer kreisförmigen „Palette“, die sich drehen ließ, aufgeschraubt waren, waren dann so gedreht worden, daß die dort Sitzenden sich gegenüber saßen; häufiger hockten die, die es sich erlauben konnten, zu nächtlicher Stunde noch auszugehen, aber an der Theke, andere standen dabei, mit den Gläsern in den Händen. Hinter der Theke agierte dann oft, gemeinsam mit der Bedienung, die für den Thekendienst zuständig war, gutgelaunt der Kinobesitzer, plauderte mit den – fast durchweg jungen – Gästen und legte seine Lieblingskassette mit den Buddy Holly-Songs in die Stereoanlage auf einem Bord an der Wand ein. „It’s so easy to fall in love, yes it’s so easy ...“ Oft wurde es so weit nach Mitternacht. War der Augenblick gekommen, in dem man sich der Einsicht, irgendwann eben doch gehen zu müssen, auch nicht stur widersetzen wollte, wurde nach uns das Foyer unten abgeschlossen. Im Lauf der Zeit, um den Titel eines Films jenes Freundes des Hauses zu zitieren, hatte sich das „Sternchen“ auf diese Weise und mit dieser filminteressierten Klientel zu einer Art Nachtlokal entwickelt; denn ab und zu, wenn der Kinobetreiber in Laune war, ließ er für die späten Zecher noch einen Film laufen; sperrte allerdings vorher die Türen unten zu. Mir konnte es nur gefallen, für mich begann am nächsten Morgen kein Arbeitstag, jedenfalls keiner der üblichen der Arbeiter- und Angestelltenwelt. Und zu gehen hatte ich (in der ersten Jahreshälfte 1978) tief in der Nacht dann auch nicht weit, zur Karpfengasse waren es nur ein paar Schritte. Wieder hatte ein neues Kapitel in meinem Leben begonnen, wieder hatte ich es nicht geahnt.
- Ein Sonnentag, blau behimmelt, mild, aber, jedenfalls abends, ein heftiger kühler Wind in den breiten Straßen.
18.3.2002
18.03.