28.2.2002
André Gides „Die Falschmünzer“ also erwarb ich ein zweites Mal in einer Taschenbuchausgabe des Ex-DDR-„Aufbau“-Verlags letztes Jahr an einem der Bücherstände des Flohmarkts am Pergamon Museum hier in Berlin. Außerdem besitze ich von Gide „Die Verliese des Vatikan“, „Der Immoralist“ und seine Autobiographie „Stirb und werde“. (Dieses Buch las ich ziemlich bald in der ersten Hälfte der siebziger Jahre Tag für Tag in der Stadtbücherei von Biberach, wo ich auch in die „Cahier d’André Walter“ hineinsah.) Alle diese Taschenbuchausgaben kaufte ich auch erst in den neunziger Jahren, was mir doch zu zeigen scheint, daß dieser Autor im Lauf von dreißig Jahren von mir nicht zu den Abgelegten gezählt wurde und wird; ein tieferes Interesse war immer vorhanden, wenn es auch nicht dazu führte, und wohl auch nicht mehr dazu führen wird, daß ich alles von ihm las oder lese.. Als ich die Rowohlt-Monographie 1969, oder 1968, las, war ich davon fasziniert, mit welcher sich selbst kaum schonender Offenheit er mit seiner Homosexualität, die sich ja eher in der Knabenliebe artikulierte, in seiner Zeit umging. Stolz und schwul – proud and gay, wenn man das nun amerikanisch und nicht französisch apostrophieren darf – er war einer der ersten, die sich das erlaubten; erlauben konnten. Wilde hatte es versucht, dieser Versuch hatte in Hybris, Absturz, Elend und Tod in der Rue des Beaux Arts in Paris geendet. Wilde hatte Gide in Algerien, damals französische Provinz, dazu ermuntert, seinen erotischen Bedürfnissen nachzugeben, Gide hatte ihm also, wie er in „Stirb und werde“ schildert, seine Initiation zu verdanken (zweifellos wäre sie eher früher als später in jener Zeit sowieso erfolgt), was er so nicht formuliert, man kann es sich aber dazu denken; woran, und ich sehe diese Entwicklung einer „Schwulenemanzipation“ in diesen beiden Charakteren verkörpert, Wilde noch untergehen mußte, das konnte Gide schon öffentlich leben; skandalös zunächst, danach unbehelligt. Freilich war er Dichter, Repräsentant des Bürgertums, Nobelpreisträger. (Thomas Mann hingegen unterdrückte ähnliche erotische Fixierungen, eben um seine bürgerliche Honorität nicht zu beschädigen.) Man muß ihn privilegiert nennen, und anerkennen, daß er solchen Status für das demonstrative Einfordern von Toleranz und Grenzverschiebungen einsetzte. Das war es ja, was er Proust vorwarf: seine Männerliebe zu verstecken, nicht zu ihr zu stehen, weder in der Literatur, wo der Erzähler Marcel nur der Beobachter dieser Erotik und ihrer versteckten, aber überall, hat man erst ein Auge dafür bekommen, wahrzunehmenden Gegenwart ist und außerdem Frauen, Albertine, liebt, noch im Leben.
- Am frühen Vormittag sonnig; wieder Vergrauung über die Mittagszeit. Nachmittags mal so, mal so; bis schließlich die Sonne obsiegte und alles bestrahlte. In der in einem eigenartigen Blau schimmernden Westdämmerung pastellrosafarbene Wolken.
28.2.2002
- Am frühen Vormittag sonnig; wieder Vergrauung über die Mittagszeit. Nachmittags mal so, mal so; bis schließlich die Sonne obsiegte und alles bestrahlte. In der in einem eigenartigen Blau schimmernden Westdämmerung pastellrosafarbene Wolken.
28.2.2002
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