19.2.2002
Heute vor einundfünfzig Jahren, in meinem Geburtsjahr 1951, starb André Gide. Ich habe es dem Literaturkalender entnommen, der an der Wand hängt. Versteht sich von selbst, wie die Redewendung hier vorgibt, daß ich sonst nie daran gedacht hätte. Wer liest noch Gide? Der Mann ist vergessen, oder nicht? War denn zu seinem 50. Todestag letztes Jahr irgendwo etwas erschienen? Ich wüßte nun nicht zu sagen wo; alles kann man freilich auch nicht überblicken.
1968, spätestens 1969, stieß ich auf diesen Namen. Wie? Je ne sais pas. Ich kaufte mir die Rowohlt-Monographie, las also, wie es oft bei mir vorkam und noch immer ist, erst über den Autor, bevor ich etwas von ihm selber zur Hand nahm. Auch meine Bekanntschaft – oder darf ich Freundschaft dazu sagen? – mit dem Werk Prousts begann, in eben jener Zeit, so. Ein Artikel oder ein Buch, in dem er erwähnt wurde, machte mich auf ihn aufmerksam, das Interesse galt natürlich seiner „unnatürlichen“ erotischen Disposition. Ich schrieb 1996 schon in ein paar Zeilen über diese erste
Begegnung mit seiner Persönlichkeit und seinem Werk und über die mit Proust, als ich mir Arbeitsnotizen für den Proust-Abend anfertigte, den ich Ende Februar 1997 in der von der Inhaberin des „Insel-Buchladens“ in Biberach, Ch.M., organisierten Veranstaltungsfolge „Freunde toter Dichter“ „gab“. Hier sind jene Sätze aus jenem Text, die sich mit Gide befassen; ich schreibe noch ein paar dazu; morgen, denn heute ist es mir zu spät dafür, der Tag war schon arbeitsreich.
„Wieso hatte ich mich mit siebzehn für Proust zu interessieren begonnen? Und für André Gide; und von ihm weiß ich, daß ich seine Prosa auf jeden Fall früher las, als die Proust’sche. Und wieso las ich zunächst über diese Schriftsteller, und anschließend erst Teile ihres Werks? Das hatte mit meiner eigenen Vorliebe für – damals noch gleichaltrige – junge Männer zu tun, natürlich.
Diese beiden Dichter waren es, vor allen anderen, die ich in jener Zeit zu entdecken begann, die mir, dem jungen Schwulen, halfen, die eigene erotische Präferenz, das eigene Triebschicksal, überhöhen zu können. Sofort also, kaum war ich mir meiner Zukunft bewußt, versuchte ich, meinen Weg in diese mithilfe der Kunst, der Literatur, zu stilisieren, indem ich Proust- und Gide-Lektüre als Beweis dafür, daß speziell der Künstler (aber freilich nicht nur er ...) homosexuell sein darf und aufgrund der Bedingungen seiner Homosexualität Bedeutsames schaffen kann, mir vor Augen führte.“
- Stürmisches Pißwetter, bis in den Nachmittag. Plötzlich riß die Regenwolkendecke, unter der der Wind blies, auf, für nicht lange kam Sonnen-licht durch, weißgraue Wolken jagten unter der Bläue. Abends hin und wieder Regen.
19.2.2002
1968, spätestens 1969, stieß ich auf diesen Namen. Wie? Je ne sais pas. Ich kaufte mir die Rowohlt-Monographie, las also, wie es oft bei mir vorkam und noch immer ist, erst über den Autor, bevor ich etwas von ihm selber zur Hand nahm. Auch meine Bekanntschaft – oder darf ich Freundschaft dazu sagen? – mit dem Werk Prousts begann, in eben jener Zeit, so. Ein Artikel oder ein Buch, in dem er erwähnt wurde, machte mich auf ihn aufmerksam, das Interesse galt natürlich seiner „unnatürlichen“ erotischen Disposition. Ich schrieb 1996 schon in ein paar Zeilen über diese erste
Begegnung mit seiner Persönlichkeit und seinem Werk und über die mit Proust, als ich mir Arbeitsnotizen für den Proust-Abend anfertigte, den ich Ende Februar 1997 in der von der Inhaberin des „Insel-Buchladens“ in Biberach, Ch.M., organisierten Veranstaltungsfolge „Freunde toter Dichter“ „gab“. Hier sind jene Sätze aus jenem Text, die sich mit Gide befassen; ich schreibe noch ein paar dazu; morgen, denn heute ist es mir zu spät dafür, der Tag war schon arbeitsreich.
„Wieso hatte ich mich mit siebzehn für Proust zu interessieren begonnen? Und für André Gide; und von ihm weiß ich, daß ich seine Prosa auf jeden Fall früher las, als die Proust’sche. Und wieso las ich zunächst über diese Schriftsteller, und anschließend erst Teile ihres Werks? Das hatte mit meiner eigenen Vorliebe für – damals noch gleichaltrige – junge Männer zu tun, natürlich.
Diese beiden Dichter waren es, vor allen anderen, die ich in jener Zeit zu entdecken begann, die mir, dem jungen Schwulen, halfen, die eigene erotische Präferenz, das eigene Triebschicksal, überhöhen zu können. Sofort also, kaum war ich mir meiner Zukunft bewußt, versuchte ich, meinen Weg in diese mithilfe der Kunst, der Literatur, zu stilisieren, indem ich Proust- und Gide-Lektüre als Beweis dafür, daß speziell der Künstler (aber freilich nicht nur er ...) homosexuell sein darf und aufgrund der Bedingungen seiner Homosexualität Bedeutsames schaffen kann, mir vor Augen führte.“
- Stürmisches Pißwetter, bis in den Nachmittag. Plötzlich riß die Regenwolkendecke, unter der der Wind blies, auf, für nicht lange kam Sonnen-licht durch, weißgraue Wolken jagten unter der Bläue. Abends hin und wieder Regen.
19.2.2002
19.02.