15
Jan

15.1.2002

„Die Biberacher Zeit“ – das klingt fast, als glaubte ich, Biberach hätte eine eigene Zeit, die nur für Biberach gälte, die nur in dieser oberschwäbischen Stadt ihre spezifischen „biberacherischen“ Eigenschaften hätte. Ich will den bejahrten langweiligen Gedanken, in der Provinz liefe „das Leben“ – einer dieser Begriffe, die so lange auseinander genommen werden sollten, in kleinste Teilchen zerlegt werden sollten, bis die Phrase nicht mehr zu erkennen wäre – „anders“, langsamer etc., nicht einmal denken; schon ist er aber wieder angedacht. Lassen wir ihn in diesem Zustand, wenn sich seine Aufdringlichkeit nicht ganz vermeiden läßt, aber beachten wir ihn nicht, auch das nicht, was er leider immer sofort mit sich heranschleppt, das sich jetzt in dem Halbdunkel, in dem er verharren soll, niederläßt. Dieser Titel macht aber Schwierigkeiten. So wie „Zeit“ ein kosmologisches Wort ist, signalisiert es, im Zusammenhang mit einem Ortsnamen, einer räumlichen Bestimmung, sogleich so etwas wie ein Zeitgefüge oder Zeitgehäuse, einen Kosmos; dieses Wort mit dem Ort Biberach in einem Zuge mitzudenken ist fast eine Lächerlichkeit, hat etwas Abderitisches; Vorsicht. „Die Biberacher Zeit“ – will dieser Arbeitstitel andeuten, hier in den Sätzen, die unter ihm stehen, würde, sagen wir: ein Mikrokosmos, durchtrippelt? Wenn, dann nur jener, in dem ich in Biberach Zeit verbrachte, nicht jener, in dem Biberach (mit allem, was zu dieser Stadt gehörte) seine Zeit verbrachte. Ich beantworte meine Frage nicht, jetzt; ich schreibe weiter, so wie es mir möglich ist, am Schluß wird die Frage dadurch eine Antwort bekommen haben oder auch nur eine halbe; vielleicht auch nur als Halbwahrheit, denn das Erinnerte ist schließlich nie das wirklich Gewesene, auch dann nicht, wenn man ehrlich mit sich und anderen (da wird es aber wirklich ernst!) umgeht, zumindest die Absicht dazu hat. Aber das gibt im Augenblick noch immer keine Entgegnung auf die andere, die eigentliche Frage, warum in Berlin…Biberach...; die ist sozusagen die Metafrage jetzt, die die andere einschließt; sie will und soll eine schnellere Antwort erhalten; soll sie haben, aber heute nicht mehr.
- Ein sonniger und kalter Mittwintertag. Körnige pulvrige Schneereste auf Brachen und zwischen Gleisen, schmutziges „Stadteis“ da und dort, aber auf Wegen und Straßen selten. Winterstaubiger Schmutz überall.
15.1.2002
Klaus-Dieter Diedrich (1951-2006): "Die Biberacher Zeit"

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Als Biberacher, der K.D. kannte und als bekennender...
Tadellöser - 20. Dez, 13:02

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