22
Aug

22.8.2002

Im oberen Bereich des zur Gartenstraße hin sanft abfallenden Gartens bockten H. und ich in der Realschul- , auch noch in der Wirtschaftsgymnasiumszeit (auch er besuchte diese Schule) die grün gestrichenen beiden Teile der Preßspantischtennisplatte auf, die in einem Kellerraum des neuen Hauses lagerten. Als erste „Bauteile“ trugen wir die zwei Holzböcke hinaus, stellten sie ins Gras oder auf die Kiesfläche an der Rückseite des Hauses, dann packten wir die Plattenteile und trugen sie in den Garten, legten sie auf die Böcke, schoben sie, die an der einen Plattenhälfte Zapfen und an der anderen Zapfenlöcher hatten, zusammen, dann wurde das grüne Tischtennisnetz über die Mitte der ganzen Platte gespannt und festgeschraubt. Es gab Tage, in denen ging ich ohne Tischtennisschläger nicht aus dem Haus. Und war schlechtes Regenwetter, bauten wir die Platte in einer der beiden Garagen unter dem Ladengeschäft auf; in der anderen stand der jeweils neue Opel von Herrn K., in dem auch ich so manchen Samstag oder Sonntag mit auf’s Land fuhr, zu einem Gehöft zwischen Biberach und Ochsenhausen, oder bei Tannheim (das war etwas weiter entfernt), wo Herr K. frische landwirtschaftliche Produkte für die kommenden Geschäftstage einkaufte und im Kofferraum verstaute. Er war ein großer, etwas nervöser Mann, der mir in den ganzen sechziger Jahren fast jeden Tag begegnete. Frau K. war eine echte Schwäbin mit Herz und Verstand, kleiner als ihr Mann; sie bekam in den sechziger Jahren noch einen zweiten Sohn. Mit den K.s verstand ich mich die ganzen Jahre über sehr gut. Manchmal sah ich dort auch fern, „Am Fuß der blauen Berge“ oder eine andere Vorabendsendung; bei K.s und Frau H. sah ich fern, denn zuhause gab’s damals noch kein Gerät. H. und ich spielten sehr oft Tischtennis und brachten es beide zu einer gewissen Meisterschaft. Ich war selbst erstaunt über meine Reaktionsfähigkeit. Stundenlang schlugen wir den leichten weißen Ball knapp über’s Netz oder auch mal ins Abseits, auf eine Plattenkante, zählten unsere Punkte. Je länger wir spielten, desto rasanter flog der Ball hin und her. Noch immer habe ich das unregelmäßige Geräusch des Ballaufschlags im Ohr. Bis in die Dämmerung hinein standen wir auf der Wiese oder auf dem Kies und schnitten den Ball an und spielten mit Vor- und Rückhand, zogen den Ball vor dem Bauch aus unerreichbar erscheinender Tiefe oder fingen ihn irgendwo über dem Kopf ab und knallten ihn wieder auf die jeweils gegenüberliegende Tischseite. Mein Interesse an diesem Spiel verlor sich, als H. plötzlich die Sportlehrer unserer Klasse zum Tischtennisspielen auf elterlichem Grund und Boden einlud; mit denen stand ich eher auf Kriegsfuß. Nach dem Abitur versandete auch unsere Jugendfreundschaft. Wir entwickelten Interessen, mit denen der jeweils andere nichts anzufangen wußte. In den Jahrzehnten danach begegneten wir uns in weiten Zeitabständen zwei oder drei Mal zufällig; obwohl wir beide in der kleinen Stadt lebten. H. ist am Wirtschaftsgymnasium in Biberach Lehrer geworden. Mitte der Siebziger griff ich noch zweimal zum Tischtennisschläger bei anderen Freunden; damit hatte es sich dann.
- Heiß; am späteren Nachmittag zog sich der Himmel zu, blaugrau die Wolkendecke, von ferne etwas Grollen.
22.8.2002
Klaus-Dieter Diedrich (1951-2006): "Die Biberacher Zeit"

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