23
Jun

23.6.2002

Meine Mutter erkannte diese Ungeduld in mir, die ich meist schlecht verbergen konnte und die sich an verschiedenartigen Lebensäußerungen zeigten, durch sie erst sichtbar wurde, mit einiger Besorgnis und sagte einmal in den Siebzigern: „Du gibst immer so schnell auf, das gefällt mir nicht an dir.“ Es war vermutlich die Ursache für diese Feststellung, die eine Ermahnung mit sich führte, etwas Praktisch-Alltägliches, Handwerkliches vielleicht, gewesen, an dem herumzufummeln, „bastelnd“ einem Gegenstand oder einer Tätigkeit doch noch eine sinnfällige Nützlichkeit zu geben, ich entnervt bleiben ließ. Ich entgegnete, wie ich genau reminiszieren kann, nichts darauf; wußte freilich, daß etwas Wahres daran war. Schnell reagierte ich in gebändigter kleiner Wut, innerlich aufgebracht, wenn etwas, und dies Etwas hatte oft, aber nicht nur, die diffusen Eigenschaften von Erwartungen und Hoffnungen, die einzutreffen hatten, an sich, nicht „funktionierte“. War dies der nicht ganz und völlig aufgelöste Rest des kindlichen Jähzorns, von dem meine Mutter mir, eher amüsiert, erzählt hatte, nachdem ich ins Erwachsenenalter ein Stück hineingegangen war, daß ich ihn, mit aufstampfenden Füßen und Schmähungen, gehabt hatte? Der in der sublimierten Verhaltensweise der Ungeduld eben auch auf etwas Unausgesprochenes hin zutage kam, das ich nicht sofort haben konnte? Andererseits bleib ich bei einer Sache, wenn ich, durch kleine oder größere Erfolge, den Eindruck gewonnen hatte, damit ließe sich zu etwas kommen. Schließlich hatte ich, um nur dieses Beispiel, das aber für jene Zeit der ersten siebziger Jahre gar kein schlechtes ist, das Schreiben der Trivialromane nicht nach zwanzig Seiten abgebrochen, sondern immer recht zügig die Manuskriptseiten gefüllt und dafür drei oder vier Wochen fast täglich stundenlang zuerst an der mechanischen Reise-, dann, ab Herbst `74, an der IBM-Schreibmaschine gesessen. (Dann allerdings, 1975, liefen diese „Geschäfte“ nicht mehr, obwohl ich gerade in diesem Jahr viel daran setzte, Trivialromanmanuskripte und Exposés unterzubringen, aber was ich einschickte, gefiel nicht mehr, und das hatte seinen Grund darin, daß mir diese Schreiberei nicht mehr zusagte und ich nachlässig darin wurde; ich wollte und wollte nicht; wieder dieser Widerspruch in sich, für den auch literarische Skrupel verantwortlich waren, denn ich konnte doch nicht dazu beitragen, mit solchen „Dingern“ das arme Volk zu verblöden; trotz pragmatischen Denkens, das ich aufbringen konnte, wenn meine Finanzen es erforderten ...) Wenn ich dachte – oder auch nur ahnte, was auch ein kognitiver Vorgang ist, nur auf einer tieferen und deshalb „gewisseren“ Ebene – daß ein „Etwas“ meiner Aufmerksamkeit und Mühe wert war, dann gewann es meine Hartnäckigkeit; wenn es diese Voraussetzung nicht an sich hatte... In späterer Zeit, Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger, als mir nichts mehr gelingen wollte und ich überhaupt keine Aussichten mehr hatte, aus dem Schreiben Geld zu erhalten, und ich schrieb nur noch kleine Texte und versuchte mich in Gedichten, und ich mich mit der unverändert vorhandenen Absicht, Schriftsteller zu werden, quälte und meine Unzufriedenheit eine Lebensunlust erreicht hatte, die mir unerträglich zu werden begann, sagte meine Mutter wieder einmal: „Laß es doch bleiben, es wird doch nichts.“ Und ihre Einschätzung meiner Anstrengungen ärgerte mich auch noch. Und das schwierig zu haltende Gleichgewicht zwischen Geduld und Gleichgültigkeit hatte sich zu Ungunsten der Geduld verschoben, und Ungeduld mit meiner gesamten Lebenslage ließ mich allmählich gleichgültig werden; auch der Literatur gegenüber.
- Heißer Tag, den manchmal größere Wolken verdüsterten, als käme ein Gewitter; unbeständige Wolkensituation.
23.6.2002
Klaus-Dieter Diedrich (1951-2006): "Die Biberacher Zeit"

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