17.6.2002
Ich habe heute im Internet nachsehen müssen, wann Peter Handkes Film „Die linkshändige Frau“ in die Kinos kam. Es war 1978 und nicht 1979, wie ich geglaubt habe zu wissen. Das frühere Wissen, daß dieser Film im Mai `78 als offizieller deutscher Wettbewerbsbeitrag während der Filmfestspiele in Cannes lief, hat sich reaktiviert. Das Buch erschien 1976, und da ich ein Exemplar der Erstauflage habe, muß ich es in diesem Jahr gekauft haben, aber ich habe, gestern, als ich es im Bücherregal betrachtet und nicht in die Hand genommen habe, gedacht, es sei erst in einem Jahr am Ende jenes Jahrzehnts veröffentlicht worden. War es also 1978, als der Film im „Urania“-Kino gezeigt wurde? Oder erst 1979? Ging ich, wenn die Jahreszahl „1978“ geschrieben werden muß, von der Karpfengasse 24 zum Kino oder von der Hermann-Volz-Straße, wo ich im dreistöckigen gelben Wohnblock ab Mitte Juli `78 mein Zimmer in der Wohnung meiner Mutter, in unserer Wohnung, benutzte, weil die „Karga“ im Juli aufgelöst wurde? Lief der Film im Frühjahr, „nach Cannes“, oder im Herbst? Ich werde den Kinobesitzer fragen. Im „Urania“-Foyer drängelten sich, wie zwei Jahre zuvor bei „Satansbraten“, die Kinogeher, aber nun nicht nur Cinéasten, sondern auch Literaturfreunde, denn Handke sollte kommen, um seinen Film nach seiner Erzählung vorzustellen. Gerüchte schwirrten herum, die wissen wollten, daß der berühmte Schriftsteller nicht kommen würde. Vor vollem Saal, vor überfülltem, stand Adrian K. dann und äußerte sein Bedauern, mit Befremden gemischt, daß H. nicht angereist sei, zur Begründung seiner kurzfristigen Absage aber einen Brief geschickt habe; den las er vor. Neben anderem hieß es darin, er, H., könne sich nicht dazu entschließen, die „bundesrepublikanische Weltsenke“ zu betreten und müsse daher leider darauf verzichten, in K.s gewiß sehr respektables Kino zu kommen. „Bundesrepublikanische Weltsenke“ – der Terminus amüsierte das erwartungsvoll herangeeilte und wieder einmal enttäuschte Publikum ebenso wie es darin eine Spur von Hochmut zu erkennen das Recht zu haben glaubte. – „Später lebte ich fast ein Jahrzehnt lang an verschiedenen Orten der Bundesrepublik, die mir weiter und heller vorkam als mein Geburtsland; und konnte mich dort, anders als in Österreich, wo – es war eine Erfahrung – kaum jemand meine Sprache sprach, zuweilen sogar mit Leidenschaft einmischen (wenn ich auch oft dachte, dabei etwas anderes zu verraten). Es ist mir immer noch vorstellbar, dort zu leben; denn ich weiß, daß es nirgends sonst so viele von jenen ‚Unentwegten‘ gibt, die auf die tägliche Schrift aus sind; nirgends so viele von dem verstreuten, verborgenen Volk der Leser.“ So steht es dann 1980 in der „Lehre der Sainte-Victoire“. Ich merke nun an, daß ich bis zum Buch „Der Chinese des Schmerzes“ ein steter Handke-Leser war, danach, während der achtziger Jahre, seine Bücher nicht mehr kaufte, auch nicht las, erst zu Beginn der Neunziger wieder ein gewisses Gefallen an seiner Prosa finden konnte, nachdem ich mir „Versuch über den geglückten Tag. Ein Wintertagtraum“ in der Biberacher Stadtbücherei ausgeliehen hatte; aber danach las ich nichts mehr von ihm, obwohl ich nahe daran war, „Mein Jahr in der Niemandsbucht“ zu kaufen. – Letzten Sommer, 2001, entdeckte ich an den Klingelschildern eines Hauses im Biberacher Weg, den es in Berlin-Steglitz gibt, wo ich war, um einige Fotos zu machen und um einen Eindruck von dieser unscheinbaren Straße zu gewinnen, und von der ich von einem Anwohner erfuhr, daß Rosa Luxemburg für einige Zeit in ihr gewohnt hatte, den Namen „Handke“ und es kam mir gleich in den Sinn, was ich vor langer Zeit in der „Lehre...“ gelesen hatte: daß H. in seinen ersten Jahren in Ostberlin gelebt habe; und wie er einmal von Westberlin aus sich in seine Kindheitsgegend hineinerinnert hatte, und fragte mich, während ich zur S-Bahn-Station Attilastraße zurückging, die vor dem Biberacher Weg liegt, wo H.s gewohnt haben mochten. In Mitte?
- Heißer Sommertag. Abends, nach 21 Uhr, der halbe Mond, schartig, in der dunkelblauen Nacht, die noch nicht volle Nacht war.
17.6.2002
- Heißer Sommertag. Abends, nach 21 Uhr, der halbe Mond, schartig, in der dunkelblauen Nacht, die noch nicht volle Nacht war.
17.6.2002
17.06.