7
Apr

7.4.2002

Die Zelle war nicht geräumig und hatte das übliche eine Fenster. Auch die Langeweile saß in ihr gefangen. Nach etwa drei Stunden wurde ich wieder abgeholt. Ich kam „zum Chef“. Ausgesprochen höflich forderte er mich auf, Platz zu nehmen. „Sie haben also die Annahme Ihrer Waffe verweigert. Können Sie mir sagen, warum?“ „Ich bin Kriegsdienstverweigerer. Ich prozessiere am Verwaltungsgericht Sigmaringen. Leider war die Verhandlung noch nicht. Ich dachte, das sei Ihnen bekannt.“ Er schüttelte den Vierkantschädel. „Davon weiß ich nichts.“ Das wunderte und ärgerte mich. Sie hatten es nicht einmal für nötig befunden, diesen Kompaniechef davon in Kenntnis zu setzen. Wahrscheinlich dachte irgendwer, die Sache würde sich von selbst erledigen. Tat sie aber nicht. „Sie wollen doch bestimmt hier nicht den Märtyrer spielen. Ihr Gewissen, gut und schön. Wenn Sie die Waffe nicht annehmen, ist das Befehlsverweigerung, das ist Ihnen doch klar?“ Er saß entspannt zurückgelehnt in seinem Stuhl und machte allmählich auf härter. „Befehlsverweigerung bedeutet in letzter Konsequenz ein Militärgerichtsverfahren. Sie sind doch informiert, nehme ich an. Und unter Umständen geht das dann in ein ziviles Strafverfahren über, dann sind Sie vorbestraft, und ich nehme doch an, Sie wollen studieren.“ Meinen Schulabschluß kannte er also. „Das können Sie als Vorbestrafter dann vergessen.“ Ich wußte ja, wie die Rechtslage aussah. Ich sagte nichts. „Ich empfehle Ihnen, sich wie jeder andere Soldat zu verhalten. Solange ihr Prozeß nicht entschieden ist, haben Sie sich an die Vorschriften zu halten und die Befehle auszuführen, die man Ihnen gibt. Ist Ihnen das klar?“ Ich nickte etwas angeödet. „Also, werden Sie nun die Waffe entgegennehmen oder nicht? Ich verspreche Ihnen, wenn Sie sich im Dienst hier korrekt benehmen, wird es für Sie keine Probleme geben. Vielleicht wird das Ihnen sogar für Ihre Verhandlung nutzen. Was werden Sie tun?“ Das wußte ich schon. „Ich nehme die Waffe an, aber unter schriftlich festgehaltenem Protest.“ Er zuckte mit den Schultern. Das war ihm wurscht. „Wie Sie wollen. Sie können gehen.“ Ich stand auf, legte vorschriftsmäßig die Pfote an’s grüne Barett und ging auf meine Stube. Ich schrieb RA Bansemer einen Brief, in dem ich ihn bat, beim Gericht auf einen Verhandlungstermin zu dringen. Am nächsten Tag erhielt ich das Mordwerkzeug. Ich hatte einen Entschluß gefaßt: Wenn schon schießen, dann gut.
- Morgens noch etwas trüb, tagsüber sonnig, frisch.
7.4.2002
Klaus-Dieter Diedrich (1951-2006): "Die Biberacher Zeit"

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