17.2.2002
In meiner Blockflötenzeit – wie eigenartig mir eben jetzt, da dieses dreifach zusammengebastelte Substantiv, diese Zeitbestimmung. mir mühelos in die Gedanken geraten ist, dieser Ausdruck vorkommt, vor das geschichtlich infizierte Bewußtsein kommt, hier im Hochparterre in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte, wo vor zwölf Jahren noch DDR war, in der „Blockflöten“ ihre nicht sehr rühmlichen und ja auch kaum hörbaren Nebenbeimelodeien spielten – wohnte unter uns im Hochparterre die Familie E., Herr E., ein großer Mann mit leicht gekräuseltem dunklen Haar, der einen ruhigen und souveränen Eindruck machte, seine kleine Frau und die beiden Söhne, der ältere von ihnen etwas jünger als ich, der zweite noch sehr klein. Herr E. frönte dem Hobby, mit einem Luftgewehr gerne auf kleine Papierscheiben mit Ringen, die die Wertigkeit der Treffer anzeigten, zu schießen; meistens samstags. Er gehörte einem Schützenverein an und übte für irgendwelche Preisschießen. Er war ein Profiamateur. An der Ostseite des Hauses befand sich ein niedriger angebauter Verschlag, vor dem das mit einer runden grossen Platte abgedeckte Gülleloch lag; an der Wand dieses Gemäuers befestigte er die Zielscheiben, auf die er aus etwa zwanzig Metern Entfernung schoß, vielleicht war sie auch geringer. Er stand dort unter dem Pflaumenbaum oder etwas weiter zurück in den Garten hinein, bis dort vielleicht, wo die Beete, die damals noch angelegt waren, begannen, hob den länglich-rechteckigen Kolben des Gewehrs an die Schulter (schoß er nicht links?), rückte ihn zurecht und einen schwachen, trockenen Knall hinterlassend zischte das Kügelchen unsichtbar zur Scheibe, wo es ein Löchlein stanzte. Herr E. schoß gut. Er machte sich manchmal, wie ich von ihm hörte, denn manchmal stand ich in respektvollem Abstand dabei, einen Spaß daraus, das soeben geschossene Loch mit einem zweiten Kügelchen zu vergrößern. Das war natürlich beeindruckend. Väterlich achtete Herr E. darauf, daß sein älterer Sohn und ich nicht in die Schußlinie rannten. Auch ich durfte eines Tages mit dem erstaunlich schweren Gewehr – es hieß ja „Luftgewehr“, und obwohl ich doch wußte, daß seine Funktionsweise ihm diese Bezeichnung gab, glaubte man eben dennoch in diffuser Assoziation, dann müsse es auch leicht wie Luft sein – schießen; ein paar Löchlein in die Scheibe schießen. In das Gülleloch davor kam hinein, was geschissen wurde. Noch Jahre später, als E.s längst ausgezogen waren und wir uns zufällig in den kleinen Straßen Biberachs begegneten, fragte er mich, wie es in der Schule gehe.
In derselben Zeit lebte auch mein Halbbruder noch in Biberach. War es nicht am Schützenfest 1960, als er an einer der Schießbuden auf dem Gigelberg ins Schwarze traf, den Blitz aufleuchten ließ, der den Film belichtete, auf dessen Fotoabzug er, die Ellbogen auf den Tresen der Bude gestützt, so die Knarre haltend, ein Auge zugekniffen, und ich mit erwartungsvollem Blick daneben, zu sehen sind? Ich müßte dieses Foto herausziehen, um das Jahr bestimmen zu können, denn es stand ja in Spiegelschrift an der Rückseite eines blumenkastenähnlichen Kastens über dem Schießbudentresen angeschrieben. Am Ende des damals bald aufkommenden Jahrzehnts schoß, im Wortsinn, auch ich so ein Bild. Im Oktober 1969 gab ich dem Kreiswehrersatzamt Ravensburg zu verstehen, daß ich den Kriegsdienst mit der Waffe verweigere.
- Sonnig.
17.2.2002
In derselben Zeit lebte auch mein Halbbruder noch in Biberach. War es nicht am Schützenfest 1960, als er an einer der Schießbuden auf dem Gigelberg ins Schwarze traf, den Blitz aufleuchten ließ, der den Film belichtete, auf dessen Fotoabzug er, die Ellbogen auf den Tresen der Bude gestützt, so die Knarre haltend, ein Auge zugekniffen, und ich mit erwartungsvollem Blick daneben, zu sehen sind? Ich müßte dieses Foto herausziehen, um das Jahr bestimmen zu können, denn es stand ja in Spiegelschrift an der Rückseite eines blumenkastenähnlichen Kastens über dem Schießbudentresen angeschrieben. Am Ende des damals bald aufkommenden Jahrzehnts schoß, im Wortsinn, auch ich so ein Bild. Im Oktober 1969 gab ich dem Kreiswehrersatzamt Ravensburg zu verstehen, daß ich den Kriegsdienst mit der Waffe verweigere.
- Sonnig.
17.2.2002
17.02.