23
Dez

23.12.2002

Und der Krümmungshorizont des inneren Kosmos´, vielleicht auch als Bewußtseinshorizont zu nennen, der von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr in größere Entfernungen hinauswuchs, sich ausdehnte, von der Erkenntnis erweitert wurde, ist doch nur die immer unbekannt bleibende vorläufige Grenze des mit Ideen und anderen Bewußtseinsinhalten angefüllten winzigen vereinzelten Teils oder Anteils des äußeren, des überall vorhandenen Seins, als der der astronomische Kosmos in nun etwas unelaborierter Sicht, die sich an metaphysischen Konstrukten gar nicht erst versuchen will, aufgefaßt ist. Ja, der innere Kosmos ist schließlich nur ein Produkt der individuellen Form der universellen Materie, aus der wir kommen und in die wir, als Moleküle und Atome, wieder eingehen werden, als Daten auch; das ist dann zwar auch nicht das ewige Leben – oder, wenn man die Natur des Lebens unbedingt so sehen will, eines in eher reduziertem Umfang – , denn auch die Raumzeit dieses Universums, in dem ja eine Stadt wie Biberach am Flüßchen der Riß, die sowieso, aus der Distanz, die Zeit und Raum herstellen, manchmal wie eine größere Puppenstube für vorzeitliche Riesenkinder vor den Augen steht, als eine zu vernachlässigende Größe erscheinen mag, aus solchen kosmologischen Höhen betrachtet, wird sich einst, wenn es bis dahin auch noch etwas hin ist, erstarren, so daß kein Erwartungshorizont, für wen oder was auch immer, mehr übrig bleibt, aber wer will letztlich so großzügig-unwissend bestimmen wollen, in welchem anderen Sinn die Ergebnisse dieses Zerfalls- und Verstreuungsprozesses wirken und wohin – sozusagen vorausgeschickt die Kräfte des Bewußtseins, dieser energiever wandelnden Rätselhaftigkeit, die wohl doch nicht allein aus der massiven Zusammenballung von spezialisierten Zellen entspringt, gehen, also Punkt. Mir erscheint es außerdem nur als natürlich, daß die Vorstellung, einem Kosmos anzugehören, in dem diese Stadt und das Land, in dem sie steht, und die Hemisphäre, in der das Land liegt, und das Staubkorn, auf dem sich alles befindet, das seinerseits eines von mehreren ist, die von einer unbedeutenden Sonne, die im mittleren Stadium ihres Selbstverbrennungsvorgangs befindlich ist, herumgeschleudert wird, vom Beobachtungspunkt in einer irgendwo um vielleicht dreihundert Millionen Jahre voraus geeilten (oder in die Vergangenheit verschwundenen) anderen Galaxie aus betrachtet völlig irrelevant ist, etwas Erhebend-Flüchtiges an sich hat. Man muß sich das einmal in einer unheimlichen Sekunde gönnen und vor Augen führen, wie die Große Kreisstadt Biberach a.d. Riß noch die nächsten tausend oder zweitausend Jahre gottverlassen durch die (noch) unergründlichen Tiefen des Alls trudelt, um zu wissen, wo man steht; oder kopfüber hängt. Außerdem wird ja auch unser Planet verbrennen. Wenn also dieser aus Zellen, die Energie verbrennen, aus anständig funktionierenden und aus ausgeflippten (womöglich ein Echo meiner Bewußtseinszustände in früheren Jahren), zusammengesetzte Organismus, mit dem mein „Ich“, das Bewußtsein von mir selber – die Hirnforscher sind dabei, das Gerede vom Bewußtsein zu dekonstruieren – sich ziemlich verbunden fühlt und gebunden weiß, eines nicht allzu fernen Tages zu Asche wird, dann wird nur das geschehen, was einmal dem ganzen Erdenkreis und -grund, auf dem er herumirrte, widerfahren wird. Ist das nicht ein tröstlicher Gedanke?
- Temperaturen etwas unter null Grad. Die Schattierung des Graus über der Stadt, des „Himmels“, fast unverändert.
23.12.2002
Klaus-Dieter Diedrich (1951-2006): "Die Biberacher Zeit"

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